Unser Team
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Von der Seewiese
in die Major League
06.01.2012
Von der Seewiese in die Major League Baseball
Einen Moment lang hatten Donald Lutz doch glatt die Worte gefehlt. Als erster deutscher Baseball-Spieler überhaupt wurde der 22-jährige Friedberger für die Saison 2012 in den sogenannten 40-Mann-Kader eines Klubs der US-Profiliga Major League (MLB) berufen.
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Donald Lutz nimmt damit im Frühjahr am Vorbereitungstraining der Cincinnati Reds teil und könnte in diesem Jahr ein Kapitel nationaler Sportgeschichte schreiben.
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»Donald hat das Zeug dazu«, prophezeit Bundestrainer Greg Frady dem offensivstärksten deutschen Spieler der Weltmeisterschaften 2011 in Panama. Lutz, 1,92 Meter groß und 105 Kilogramm schwer, verfüge nun mal über den ›big swing», der ihn von vielen anderen Talenten unterscheide. Dennoch erstaunlich: Mit den Dayton Dragons, seinem Klub in der Single-A-Liga (vergleichbar einer fünften (!) Liga im deutschen Sport), steht Lutz gewiss nicht im unmittelbaren Fokus der MLB-Klubs. Der 1st-Baseman sollte - so die Vorstellungen der Coaches und Scouts - in den kommenden zwei bis drei Jahren in höherklassigen Perspektiv-Mannschaften herangeführt werden.
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Der Deutsch-Amerikaner hatte bereits vor seiner Nominierung in der nordamerikanischen Baseball-Szene Schlagzeilen produziert. In der zwölfjährigen Geschichte der Dayton Dragons war Lutz als erstem Spieler ein Cycle (Hit, Double, Triple und Homerun in einem Spiel) gelungen. Die Wahl zum Homerun des Jahres in den gesamten Minor Leagues bescherte Lutz zudem Rang zwei. Mit einem Schlagdurchschnitt von 301 und 20 Homeruns setzte er klubintern weitere Bestmarken.
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Doch: Wie realistisch ist das Debüt eines deutschen Spielers in der MLB denn nun wirklich? »Wenn ich weiter konstant spiele, kann es auf einmal sehr schnell gehen«, sagt Lutz, der sich selbst als »Nummer drei bis vier auf meiner Position« bezeichnet und die größten Einsatzchancen für den Herbst ausrechnet, wenn die wenigen Playoff-Teilnehmer ermittelt sind und die Talente ihre Bewährungsmöglichkeiten erhalten. Berührungsängste mit den oft millionenschweren Mitspielern kennt Lutz nicht. Auf dem Trainingsgelände laufe man sich schon jetzt das eine oder andere Mal über den Weg.
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Begonnen hatte alles in Friedberg auf der Seewiese. Einigen Freunden und seinem fünf Jahre älteren Bruder Sascha, der für den Bundesligisten Mannheim spielt und zu den Teamkollegen in der Nationalmannschaft zählt, war Donald als 14-Jähriger - und damit vergleichsweise sehr spät - damals gefolgt. Handball, das er einst in Florstadt gespielt hatte, hatte er bereits aufgegeben, Eishockey in Bad Nauheim war zu teuer geworden. Unter Paul Walters fand Lutz schnell Spaß am Spiel und spielte nach nur wenigen Wochen eine herausragende Rolle bei den Deutschen Jugendmeisterschaften, zu denen die Friedberg Braves während ihrer Blütezeit stets qualifiziert waren.
»Man hat damals schon die Unterschiede erkennen können«, sagt Franzisco Lucio-Tippmann, der frühere Klub-Vorsitzende. Über den Zweitligisten Bad Homburg führte der logische Weg auch rasch in das Baseball-Internat nach Regensburg, wo er sein Fachabitur machte.
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Nach einem Spiel der Junioren-EM wurde Donald Lutz von einem Talentscout aus den Vereinigten Staaten eine Visitenkarte in die Hand gedrückt, während eines mehrwöchigen Camps der Major League machte er später nachhaltig auf sich aufmerksam und unterschrieb schließlich einen Sieben-Jahres-Vertrag in der Organisation der Cincinnati Reds.
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Das große Handicap des Spätstarters im Vergleich zu Gleichaltrigen: die fehlende Spielpraxis. Und diese führte ihn nach der Sommersaison schließlich noch zwei Winter lang nach Australien. Der frühere Outfielder war - angesichts eines Überangebots auf dieser Position - aufgrund der besseren Perspektive längst ins Infield, an die 1st Base, gerückt und ließ sich auch von einem Bruch des Handgelenks (2009) nicht von seinem Weg abbringen.
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In der ehemaligen Stahlstadt Dayton (140 000 Einwohner), im Dunstkreis der Cincinneti Reds (rund 45 Autominuten entfernt), ist Lutz nun der Durchbruch gelungen. Die Eintrittskarten zu den Heimspielen im »Fifth Third Field« (Kapazität rund 8000 Zuschauer) werden im Ranking der »begehrtesten Tickets« des renommierten Magazins »sports illustrated« in den Top Ten geführt. Mit nunmehr 843 ausverkauften Heimspielen in Folge haben die Dragons im US-Profisport eine einsame Bestmarke aufgestellt.
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»Das ist schon eine sehr baseball-verrückte Stadt«, sagt Lutz, der gut eine halbe Stunde vom Klubgelände entfernt bei einer Gastfamilie untergebracht ist.
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Die Sommer-Tage gestalten sich doch recht monoton: Erst spät muss Donald Lutz aus dem Bett. Nach einer Kombination aus Frühstück und Mittagessen treffen er und seine Kollegen gegen 14 Uhr auf dem Trainingsgelände ein, arbeiten den Nachmittag über an Verbesserungen im Spiel und bestreiten abends eine der insgesamt 140 Begegnungen der regulären Saison, ehe es nach einem gemeinsamen Abendessen gegen Mitternacht ins Bett geht.
Lutz selbst absolvierte im letzten Jahr 123 Saisonspiele. Zeit für Hobbys abseits des Feldes bleibt kaum, zumal die Reisen zu den Auswärtsspielen, die meist in Serie absolviert werden, oftmals eine ganze Woche in Anspruch nehmen und zudem soziales und gesellschaftliches Engagement um Umfeld der Dragons gewünscht sei.
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Sein »Power-Potenzial« beschreibt Donald Lutz als seine Stärke, auch sei er für seine körperlichen Maße »sehr beweglich«, könne ein Spiel lesen. Teamintern ist Lutz »der Deutsche«, einer von nur rund einem halben Dutzend deutscher Spieler, die in Nordamerika ihren Traum leben.
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Die Tage in Friedberg sind inzwischen recht selten geworden, zwei, höchstens drei Wochen im Jahr verbringt Lutz in der Kreisstadt. »Friedberg wird immer meine Heimat bleiben; auch wenn’s manchmal nicht leicht ist, den Kontakt zu pflegen.« Am 17. Januar geht’s zurück in die Vereinigten Staaten, begleitet vom Traum, als erster Deutscher ein Spiel in der Major League bestreiten zu können.
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